Ende des 5. Jahrhundert war das Weströmische Reich politisch, militärisch, kulturell am Ende, bedingt durch zahlreiche systemimmanente Fehler des Reiches, aber auch durch gewaltige ethnische Völkerverschiebungen innerhalb Europas während des 4. bis 6. Jahrhunderts, der sogenannten Völkerwanderung. Hier handelte es sich vorwiegend um unterschiedliche germanische Stammesverbände, die sich nach dem Ende der Wanderungen als Volk der Franken, Alamannen, Baiern, Friesen, Sachsen, Thüringer, u.a. etablierten, teilweise in engem Kontakt mit der römischen Kultur. Die römische, katholische ( übersetzt mit „allgemein“) Kirche, die als Reichskirche bis dahin den universalen Anspruch auf das gesamte Imperium besaß, war in diesem Zeitraum weitgehend zurückgedrängt auf ihren Herrschaftsbereich in Rom, verfügte dennoch als einzige Institution noch über funktionierende Verwaltungsorganisationen in Westeuropa trotz z.B. des Verfalls der meisten Rheinbistümer.
Vorherrschende Macht in der Neuformierung der Völker in West- und Mitteleuropa ist der Stammesverband der Franken. 498/99 bekennt sich Chlodwig, König des nun Fränkischen Großreichs in Reims gemeinsam mit den Großen des Landes durch die Taufe zum Christentum, das gesamte Reich wird somit christlich, der König zudem Schutzherr der Kirche.
Chlodwig sieht das Fränkische Reich in der Nachfolge des Römischen, benutzt ähnlich wie seit dem 3. Jh. die römischen Kaiser das Christentum als gesellschaftliche Klammer um hier die noch verbliebene römische Kultur, vornehmlich in Gallien, am Ober- und Mittelrhein mit der fränkisch-germanischen zu verbinden, die Völker in diesem Vielvölkerstaat zu integrieren.
Bezogen auf unser Thema „Bonifatius“ heißt das: Um 700 war das Fränkische Reich, dessen territoriale Ausdehnung im Osten auch bereits den Thüringer Raum erreicht hatte, nominell christianisiert. In den peripheren Gebieten des Reiches wie das der Friesen, Sachsen (teilweise heutiges Niedersachsen), der Chatten (Nordhessen), der Baiern, Thüringer hatte sich die Christianisierung noch nicht vollständig durchgesetzt.
Die primäre Aufgabe des für Germanien eingesetzten Missionsbischofs war, groß formuliert, die wiederhergestellte Universalität der Kirche auch in den Reichrändern zu verankern, pagane Vorstellungen abzuschaffen.
721 beginnt Bonifatius sein Reformwerk mit dualer Absicherung sowohl durch den Papst und in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Herrschern, den Hausmeiern, ausgestattet mit Schutzbriefen zunächst von Karl Martell, später Karlmann.
Es finden in den Gebieten Hessens, Thüringens, Bayerns nicht nur Massentaufen statt, sondern auch Neugründungen von Bischofssitzen wie Erfurt, Büraburg, Würzburg, Salzburg, Reaktivierungen der Rheinbistümer wie Trier, Worms, Köln, Speyer, um nur einige zu nennen. Diese neuen Bistümer förderten gleichzeitig die Urbanisierung des Reiches. Bonifatius Mission der Christianisierung, an anderen Stellen der Erneuerung der „reinen Lehre“, das in ständiger, intensiver Absprache mit dem Papst durch enge Korrespondenz und Romreisen, ist also verbunden mit dem Aufbau kirchlicher Verwaltungsstrukturen, parallel zur fränkischen Raumerschließung durch die Machthaber. Damit erhält sein Werk auch eine willkommene politische Dimension. Seine Diözesanaufteilung in Bayern ist übrigens teilweise bis heute erhalten. Nun zurück zum Jahr 721.
In Hamanaburch, Amöneburg, also in Hessen, einer fränkischen Festung, beginnt Bonifatius, der in späterer Zeit den Beinamen „Apostel der Deutschen“ erhält, seine Missionsarbeit. Er trifft auf „verwildertes Christentum“ und beginnt den Mangel an christlicher Substanz zu füllen. Er gründet dort eine klösterliche Niederlassung, dann weiter ein Kloster in Fritzlar, eins in Fulda als Missionsstützpunkt, als künftigen Alterssitz und eigene Grablege, fällt in Geismar die Donareiche, wohl als eine Art Erziehungsmaßname, um nur einige Beispiele zu nennen. Christianisierung, Reform, Kirchenorganisation als seine vornehmlichen Aufgaben. Er stirbt im Juni 754 eines gewaltsamen Todes, wird damit zum Märtyrer und Heiligen der Kirche.