Die Ersterwähnung Langensteins

Auf Anfrage von Rainer Grix bezüglich der ersten urkundlichen Erwähnung Langensteins hat das Hessische Staatsarchiv Marburg folgende Antwort gesendet:

Sehr geehrter Herr Grix!

Nach dem heutigen Stande wissenschaftlicher Forschung wird in einer Urkunde des Grafen Volkwin IV. von Schwalenberg für das Erzstift Mainz von 1223 Juni 22 ein Friedrich von Langenstein erwähnt und damit auch erstmalig der Ort Langenstein. Die Urkunde ist im Original nicht mehr erhalten, sondern lediglich in einer Abschrift aus dem 13. Jh. bzw. 14. Jh. (Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Bücher verschiedenen Inhalts, Nr. 17, Bl. 84v. –– Ebendort, Mainzer Bücher verschiedenen Inhalts, Nr. 18, Bl. 80r. –– Druck: GUDENUS , Valentin Ferdinand von: Codex diplomaticus exhibens anectoda ab anno 881 ad 1300 Moguntiaca [ …… ], Göttingen 1743, S. 483-485, Nr. 183. –– Regest: DEMANDT , Karl E.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar im Mittelalter, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck, Bd. 13/3, Marburg 1939, S. 216 f., Nr. 11). Die auf der Webseite der Stadt Kirchhain gemachte Angabe, der Ortsadel von Langenstein sei seit 1135 belegt (dem folgend der Wikipedia-Artikel zu Langenstein), war mangels Quellenangaben oder Verweise auf die ortskundliche Literatur nicht zu verifizieren. REULING , Ulrich: Historisches Ortslexikon Marburg, Ehem. Landkreis und kreisfreie Stadt, Historisches Ortslexikon des Landes Hessen, Bd. 3, Marburg 1979, S. 165, kennt die Jahresangabe 1135 ebenfalls nicht, sondern läßt den Ortsadel mit 1223 beginnen.
Das von Ihnen in Ihrer E-Mail vom 14. 11. 2016, 20:52 Uhr, erwähnte Wappen ist das des Adelsgeschlechtes von Langenstein genannt Güntzerod (nach der Wüstung Gunzelrode, Gemarkung Görzhain, Gde. Ottrau, Schwalm-Eder-Kreis). Das Wappen ist in folgendem Druckwerk abgebildet: Johann SIEBMACHER s Wappenbuch von 1605, hrsg. und mit einem Nachwort von Horst APPUHN , München: Orbis Verlag, Sonderausgabe 1999, S. 161 (= Tafel 141), 1. Reihe, erstes Wappen von links. Dieses Wappen mit dem springenden Hirsch führte bereits Johann von Langenstein in seinem Siegel (StA Marburg, Urk. 37, Nr. 1583 von 1358 Januar 3). REIMER , Heinrich: Historisches Ortslexikon für Kurhessen, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, Bd. 14, Marburg 1926, Reprint Marburg 1974, S. 294, gibt an, daß der Ortsadel von Langenstein von 1263 bis 1358 nachweisbar sei, das Adelsgeschlecht von Langenstein genannt Güntzerod erst 1489 Lehensleute der Landgrafen von Hessen geworden (StA Marburg, Urk. 14, Nr. 7849 von 1489 Oktober 14) und kurz vor 1592 ausgestorben sei. Aufgrund der Namens- und Wappengleichheit sind die von Langenstein genannt Güntzerod aller Wahrscheinlichkeit nach Nachfahren der von Langenstein 1223-1358. Warum zwischen 1358 und 1489 eine Überlieferungslücke von ca. 130 Jahren klafft, konnten wir bisher nicht klären.

Hintergrund

In einer Urkunde von 1223 wird erstmals der Ort Langenstein erwähnt. Die Urkunde wird einige Zeit später im 13. Jahrhundert durch die Kanzlei (Büro) des Mainzer Erzbischofs abgeschrieben und so kopiert. Dieses Kopiar wird heute im Bayrischen Staatsarchiv in Würzburg aufbewahrt und wird hier abgedruckt. Ursprünglich lag das Original in Fritzlar, weil die Urkunde hier erstmals im „Urkundenbuch“ der Stadt Fritzlar am 22. Juni 1223 veröffentlicht wurde. Dieses Original ist und bleibt verschwunden.

Zum Inhalt des Textes – die für Langenstein wichtige Passage lautet:
„Volquin, Graf von Schwalenberg, verpflichtet sich, dem Erzbischof und der Kirche zu Mainz gegen jedermann Hilfe zu leisten, ausgenommen gegen das Reich und den Erzbischof von Köln, und stellt hierfür folgende Bürgen: … Grafen von Battenberg …. Dafür verpflichtet sich der Mainzer Erzbischof, auch Volquin gegen jedermann beizustehen, ausgenommen gegen das Reich, oder, wenn Volquin mit eigener Schuld in kriegerische Verwicklungen gerät …. Für den Erzbischof bürgen … Friedrich von Langenstein, Hermann von Mardorf u.a. …“.

Was verbirgt sich hinter diesem Vertrag und worauf bezieht er sich?
Zum Gebiet des Grafen von Schwalenberg gehört damals der heutige Landkreis Waldeck; sein Besitz liegt um die Burg Waldeck am Edersee, mit Korbach und Arolsen im heutigen Nordhessen. Die Stadt Fritzlar ist geografisch gesehen ein Grenznachbar des Grafen von Schwalenberg; sie gehört damals zum mächtigen Erzbistum Mainz. Weitere Nachbarn des Schwalenbergers, mit denen es immer wieder Grenzstreitigkeiten gibt, sind im Norden der Bischof von Paderborn und im Nordwesten das Erzbistum Köln.
In der Quelle geht es also um die Absicherung der eigenen Stellung durch Bündnispartner. Friedrich von Langenstein ist ein Bürge für den Erzbischof von Mainz, gehört also zu dessen Männern; Bürge sein hieß damals mit Leib und Leben einzustehen, zur Not auch für den Partner in Geiselhaft zu gehen. Der Langensteiner u.a. sichert also den Vertrag zwischen dem mächtigen Mainzer Erzbischof und dem Schwalenberger ab; der Schwalenberger verspricht den Erzbischof zu unterstützen, außer gegen das Reich (also gegen den deutschen Kaiser) und gegen den Erzbischof von Köln, der sein unmittelbarer Nachbar ist. Er will also nicht in einem Krieg zwischen den beiden Erzbischöfen zwischen die Fronten geraten.

In der berühmten Schriftensammlung „Codex Diplomaticus“ aus dem 18. Jahrhundert von Valentin Freiherr von Gudenus ist die Abschrift der Ersterwähnung Langensteins abgedruckt.

Bilder der Urkunden