Zur Geschichte der Frauenhilfe Langenstein

Die Evangelische Kirchengemeinde hatte über viele Jahre in Langenstein und Niederwald eine aktive Frauenhilfegruppe, in der sich regelmäßig Frauen für Begegnung, Gespräche, Andacht, gemeinsames Singen und Essen getroffen haben. Leider mussten beide Gruppen, die schon in den Jahren davor immer kleiner geworden waren, im Jahr 2020 mit dem Einschnitt der Corona-Zeit beendet werden, ohne dass ein „Abschiedsgottesdienst“ möglich gewesen wäre.

„Frauen helfen mit, die Gemeinde Jesu Christi zu bauen und das Evangelium
weiterzusagen. Sie bringen ihre Kompetenzen, ihren Schwung und ihre
Lebendigkeit ein. Sie bewirken Stabilität und Veränderung.“

Mit diesen Worten gratulierte im März 2018 Pfarrerin Andrea Wöllenstein als Beauftrage für Frauenarbeit im Namen der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck der Frauenhilfe Langenstein zu ihrem 80-jährigen Bestehen.

Die evangelische Frauenhilfe wurde im Februar 1938 von Frau Pfarrer Müller (Ehefrau des Kirchhainer Pfarrers Müller) in Langenstein gegründet. 16 Frauen waren die Gründungsmitglieder. Sie trugen eine Brosche aus blauem Emaille mit einem weißen Kreuz in der Mitte.

Im Aufnahmeschreiben des Gesamtverbandes der Ev. Frauenhilfe, in den unsere Frauenhilfe am 19. März 1938 aufgenommen wurde, ist als Leitwort zu lesen: „Wir wollen gemeinsam unseren Herrn und Heiland Jesus Christus verkündigen, wie die Heilige Schrift ihn uns bezeugt.“ Dieses Wort als Grundlage und Programm der Frauenhilfen besagt, dass alle Hilfe und tätige Nächstenliebe im Dienst der Verkündigung Jesu Christi stehen.

Schon bald kamen viele Frauen zu den Andachten. Diese wurden in einem kleinen Haus mit nur einem Raum abgehalten, das links vor dem Eingang zum Kirchengelände stand. Das Haus war als „SA-Heim“ bekannt. Die Gründung der Frauenhilfe Langenstein fiel mitten in die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und das sogenannte „SA-Heim“, das die SA ursprünglich für eigene Zwecke errichtet hatte, das aber auch zeitweilig den Kindergarten beherbergte, war der einzige Raum, der für die Versammlungen zur Verfügung stand. Auch Mitglieder der Reichsfrauenschaft gab es in Langenstein. Von diesen hatten die christlichen Frauen in der Frauenhilfe einiges an Schmähungen und Verachtung zu erdulden. Ein Jahr nach Gründung der Frauenhilfe begann der 2. Weltkrieg; viele Männer mussten einrücken und die Frauen hatten fortan doppelte Last zu tragen. Die Frauenhilfe unterstützte hilfsbedürftige Familien und strickte für die Soldaten Strümpfe, Handschuhe und Ähnliches.

Frau Müller, die Gründerin und erste Betreuerin der Frauenhilfe, kam damals zu Fuß von Kirchhain, wobei sie oft ihre Kinder mitbrachte. Nachmittags hielt sie Kindergottesdienst und abends die Frauenhilfestunden. Auf dem Rückweg nach Kirchhain wurde sie immer von Frauen begleitet. Im Winter kam Schwester Margarete Lachmann aus dem Mutterhaus der Diakonissen in Frankfurt für einige Wochen zu uns nach Langenstein, um für die Frauen die Abendandachten zu halten.

Nach Frau Pfarrer Müller übernahmen Diakonissen und in der Folgezeit abwechselnd mit den Pfarrern Daub, Eckardt, Dekan Schneider, Rüppel, Peter, Laukel und Krause die Frauenhilfestunden. Insgesamt betreuten sieben Diakonissen, die in unserer Gemeinde tätig waren, die Frauenhilfe – einige davon noch vor den Pfarrern.

Die letzte der Diakonissen war Schwester Margot (Schefer).

1954 wurde auf dem Schulhof der neuen Schule das bisher einzige Frauenhilfefest gefeiert. In jedem Jahr unternahm man auch Ausflüge, z. B. ins Frankfurter Mutterhaus der Diakonissen, an den Rhein und in verschiedene Städte Hessens.

In der Frauenhilfe wurde traditionell viel gesungen. Mit Schwester Gertrud, die viele Jahre bei uns tätig war, sangen die Frauen die Lieder, die Frau Noppe mit ihnen eingeübt hatte, und zwar auf fast allen Frauenhilfetreffen, bei den Kreisfrauentreffen und einmal jährlich anlässlich der Besuche des Elisabethen-Hofs in Marburg.

Die Andachten fanden viele Jahre im Bürgerhaus statt, ebenso die Weihnachts-feiern. Als Niederwald und Langenstein ein Kirchspiel bildeten und Pfarrer Peter zu uns kam, wurde in Langenstein das neue Pfarrhaus mit Gemeinderaum gebaut. In diesem schönen Raum trafen sich die Frauen bis zum Frühjahr 2020 an den Montagnachmittagen; abwechselnd traf man sich auch zweimal jährlich mit den Niederwälder Frauen.

An runden Geburtstagen bekamen die Mitglieder der Frauenhilfe ein Geschenk. Verstorbene Frauen wurden (und werden bis heute) durch einen Nachruf und eine Blumenschale geehrt. Martha Damm führte viele Jahre die Kasse.

Mit den Pfarrern unternahmen die Frauen viele Tagesausflüge, später auch gemeinsam mit den Niederwälderinnen. Auch die Halbtagesfahrten in die nähere Umgebung waren sehr beliebt.

Bevor Pfarrer Laukel 1993 zu uns kam, bis Juni 2002 und auch danach noch kümmerte sich Frau Pfarrerin Fröhlich in sehr liebevoller Weise um die Frauenhilfen.

Als 2003 das Ehepaar Neumann die Pfarrstelle übernahm, war es Herr Pfarrer Neumann, der die Frauenhilfe betreute, danach für ca. 2 Jahre Pfarrer Krause, bis im September 2014 Herr Pfarrer Koch zu uns kam.

War der Pfarrer oder die Pfarrerin verhindert, gestaltete von 2003 an Rosemarie Heuser die Frauenhilfe-Stunden. Sie löste auch Martha Damm bei der Kassenführung ab. Einige Veranstaltungen und Ausflüge wurden so finanziert. Mit Frau Heuser wurden interessante Bücher gelesen und besprochen, was den Frauen Gelegenheit gab, aus ihrem Leben von früher zu berichten. Frau Heuser führte auch die Bibelarbeit fort, wie es bereits die Pfarrer und Diakonissen all die Jahre praktiziert hatten.

Das große Jubiläum „80 Jahre Frauenhilfe“ wurde im April 2018 gemeinsam mit dem 70-jährigen Bestehen des Kirchenchores gefeiert. Dabei wies Herr Pfarrer Koch in seiner Predigt auf die Veränderungen hin, die u. a. die gesellschaftliche Entwicklung mit sich gebracht habe: „Die Runde der Frauen, die sich montags um 15 Uhr im Gemeinderaum trifft, ist kleiner geworden.“ Das Durchschnittsalter sei gestiegen und die Unternehmungen kleiner und bescheidener geworden.

Im März 2020 musste der Staat einschneidende Anordnungen treffen, um der Gefahr massenhafter Ansteckungen mit dem Corona-Virus vorzubeugen. Zu diesen Anordnungen bzw. Empfehlungen gehörte auch, dass Versammlungen mit mehr als 10 Personen nicht mehr stattfinden und gemeinsames Singen wegen der Ansteckungsgefahr durch die Atemluft unterlassen werden sollte.

Gottesdienste konnten gar nicht mehr oder nur im Freien stattfinden und auch die Treffen der Frauenhilfe mussten im März 2020 von heute auf morgen eingestellt werden.

Als die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie schließlich aufgehoben wurden, entschloss man sich, die Frauenhilfe-Gruppe nicht mehr weiterzuführen, weil die Zahl der teilnehmenden Frauen zu gering geworden war.

Mit diesem Bericht blicken wir auf eine traditionsreiche Institution zurück, die über viele Jahrzehnte Frauenarbeit geleistet hat – vielleicht nicht auf die Art, wie jüngere Frauen sie heute brauchen und erwarten, aber für die Frauen der Kriegs- und Nachkriegsgeneration sehr segensreich und aufbauend. Die neue Generation muss sich ihre eigenen Organisations- und Ausdrucksformen schaffen und wird vielleicht eines Tages eine ganz neuartige „Frauenhilfe“ gründen.