Heinrich von Langenstein (um 1340-1397)

„Mit Heinrich Heimbuche von Langenstein ….konnte nicht nur ein renommierter, hoch dotierter Wissenschaftler und Gelehrter für das Wiener Projekt gewonnen werden, sondern auch ein erfahrener Wissenschaftsorganisator, bei dem sich gesunder Menschenverstand, analytischer Durchblick und eine gesunde Prise Selbstbewusstsein glücklich miteinander verbanden.“ „ … das Können und Genie des Universitätspolitikers Langenstein … mit denen er der jungen Universität Wien seinen Stempel aufdrückte.“ (Anm. 1)

Fast nichts ist bekannt aus Heinrichs Kindheit und Jugendzeit. Erst als er im Frühjahr 1363 an der Pariser Universität sein Studium der Artes mit der Prüfung zum Bakkalaureat ablegt, taucht er in den schriftlichen Quellen auf.

„Artes“ heißt, „die Künste.“ So nannte man im Mittelalter das Grundstudium, das jeder Student absolvieren musste. Die Artes beinhalteten Latein (Grammatik, Rhetorik und Dialektik) als Grundlage jeglichen Studiums. Aller Schriftverkehr erfolgte in Latein, und gesprochen wurde ebenfalls überwiegend Lateinisch, in den Vorlesungen ohnehin. Dazu beinhalteten die Artes die Arithmetik, die Geometrie, die Astronomie und die Musik. Erst darauf aufbauend war möglich, Theologie, Jura, oder Medizin zu studieren.

Über Heinrichs Leben vor 1363 ist so gut wie nichts belegt. Er selbst gibt seinen Namen als Heinrich Heinbuche und Heimbuche an. Er stammt aus keinem Adelsgeschlecht, sondern aus eher ärmlichen Verhältnissen.  Aus einer erst in neuerer Zeit ausgewerteten Notiz, die Heinrichs Urgroßneffe Johannes Hinderbach (1418 – 1486), 1465 – 1486 Bischof von Trient, handschriftlich auf einer Beschreibung Wiens hinterließ, geht hervor:
Dass Heinrich in dem hessischen Dorf Langenstein geboren sei, aus einer armen kinderreichen Familie stamme, zur Zeit einer Hungersnot Langenstein verließ und sich zum Studium nach Paris begab.

Dass Heinrich Heinbuche von Langenstein in Langenstein und nicht in der Nähe Langensteins geboren wurde, belegt ein weiteres Zitat dieser Notiz: „Dieser (Henricus de Hassia) war aus dem Geschlecht meiner Mutter, deren Großmutter war seine Schwester, Mädchen aus Langenstein“. (Anm. 2) Es ist belegt: Der Heinrich war Langensteiner!

Wie kommt es aber, dass ein solches Kind aus einfachsten Verhältnissen hier oder sonst wo eine Schulausbildung erhielt, die es für ein Studium an der damals schon renommierten Universität in Paris befähigte?

Darüber schreibt auch Johannes Hinderbach nichts. Möglich oder gar wahrscheinlich, dass der Ortsgeistliche – der Pfarrer – sein Talent entdeckte und ihn förderte. Die Kirche suchte schon damals Nachwuchs. Heinrich wurde ja später auch „Kleriker“, ein Mann der Kirche und auch Priester. Heinrich wird sich sicher als Schüler einer Stifts- oder Kapitelschule ausgezeichnet haben, und zwar derart, dass er Förderer für seinen weiteren Weg fand.

Zurück in das Jahr 1363, an die Universität in Paris, wo Heinrich Heinbuche von Langenstein im Frühjahr sein Studium der Artes erfolgreich mit dem Examen abschließt.

Übrigens war er auch in den ersten Jahren in Paris bettelarm. Er war darauf angewiesen, die erheblichen Gebühren für die Examen gestundet zu bekommen oder er musste sich Geld leihen.

Und er war ein wissenschaftlicher Senkrechtstarter: Am 20. Februar 1363 das Studium der Artes abgeschlossen, bereits im Mai, auch 1363, begann er seine Lehrtätigkeit als Magister Artium, Professor der Artes-Wissenschaften!

Zur gleichen Zeit trat er sein erstes Universitätsamt an: Er wurde Prokurator der englischen Nation – d. h. Bevollmächtigter, Beauftragter der englischen „Landsmannschaft“ , so könnte man das bezeichnen, zu der auch die deutschsprachigen Universitätsangehörigen zählten. Um diese Zeit war er vermutlich um die 25 Jahre alt.

Die Rektoren der Universität Wien,
Gedenktafeln im Hauptgebäude

Die Angabe, 1325 geboren, ist nirgends belegt und mit Sicherheit falsch. Dann hätte er sein erstes Examen mit 38 Jahren abgelegt – auch damals außergewöhnlich! Um 1340 herum muss Heinrich von Langenstein geboren sein. Neben seiner Lehrtätigkeit begann Heinrich das Theologiestudium und schloss dieses 1371 mit dem Bakkalaureat ab. 5 Jahre später, 1376, wurde er auch Magister in diesem Fach und unterrichtete fortan als Professor der Theologie. (Etwa 38 Jahre alt.)

Heinrich avancierte in dieser Zeit zu den Führungspersönlichkeiten der Universität Paris. In den 1370er Jahren amtierte er als Vizekanzler. Seine englische Nation nominierte ihn als Schiedsrichter und Streitschlichter. Er reist als Sprecher der Universität zum 1378 neu gewählten Papst Urban VI. nach Rom.

Und: Er hätte eine glänzende Karriere an der Universität in Paris erlebt, wäre da nicht das Schisma, das Große Abendländische Schisma dazwischen gekommen! („Schisma“, griechisch: Teilung, Trennung) Was war geschehen? Papst Gregor XI. starb im Jahr 1378. Vor und während der Wahl des neuen Papstes gab es heftige Tumulte in Rom – die wollten dort einen Römer als Papst. In einer äußerst umstrittenen Wahl wird im April 1378 Papst Urban VI. gewählt. Der regiert selbstherrlich, autoritär, entlässt und setzt Kardinäle ein, wie es ihm passt. Daraufhin versammelten sich unzufriedene Kardinäle in Avignon und wählten im Sept. 1378 einen anderen Papst: Clemens VII.

So gab es nun zwei Päpste und so war es da, das Schisma – die Trennung der Abendländischen Kirche! Klar, dass der französische König Papst Clemens VII. in Avignon unterstützte.

Und unser Heinrich in Paris? Der hängt sein Mäntelchen nicht nach dem Wind. Er ist auf Einheit der Kirche bedacht und fordert, von einem allgemeinen Konzil klären zu lassen, wer nun der rechtmäßige Papst sei. Zunächst ist das auch die gemeinsame Haltung der Pariser Universität – aber die Front bröckelt bald. Und die Professoren, die sich nicht Clemens VII. unterordnen wollen, müssen schließlich Paris verlassen – so auch unser Heinrich im Jahre 1382. Zwei Jahre hält er sich überwiegend in Worms und im Kloster Eberbach auf. Ein Angebot, Bischof im fernen Livland zu werden, lehnt er ab.

1384 beruft Herzog Albrecht III. von Österreich Heinrich von Langenstein zusammen mit seinem Freund Heinrich Totting von Oyta an die Universität Wien. Hauptaufgabe sollte es sein, dort, an der 19 Jahre zuvor gegründeten Universität, die Theologie als Fachbereich aufzubauen. Denn nur mit der Theologie galt die Hochschule damals als eine vollwertige Universität. Das muss man sich erst einmal bewusst machen, welchen Bekanntheitsgrad Heinrich von Langenstein mittlerweile hatte: Damals, ohne TageszeitungenFernsehenInternet, war bis ins ferne Wien bekannt geworden, dass da ein hervorragend begabter Theologe, Naturwissenschaftler und Wissenschaftsorganisator arbeitslos war, dem man zutrauen konnte, diese Aufgaben zu meistern!

Und Heinrich Heinbuche von Langenstein wird den in ihn gesetzten Erwartungen mehr, als gerecht!

Gedenktafel im Stephansdom, Südseite
links neben dem Durchgang zur Katharinenkapelle