Von Illinois nach Langenstein

Daniel Flora aus Illinois, besuchte vom 23.06.2023 bis zum 25.06.2023 Langenstein, den Ort seiner Vorfahren, der Familie Roeder, um an den Feiern zur Ersterwähnung des Ortes vor 800 Jahren teilzunehmen. Vom Flughafen Frankfurt aus, wo er morgens landete, reiste er sofort weiter nach Langenstein.

Mit seiner Gastfamilie Benneke-Schlutz beteiligte er sich an der Eröffnung des Wanderweges „Über Stock und Langenstein“ und besuchte die Ausstellung zur Langensteiner Geschichte.

Frage: Daniel, woher stammt deine Verbindung zu Langenstein?


Daniel: Meine Beziehung zu diesem Ort reicht weit zurück. Bereits 2016 habe ich Langenstein besucht und viele Informationen gesammelt.
Meine Vorfahren aus der Familie Roeder stammen aus Langenstein. Sie wohnten in der Hintergasse 47, im jetzigen Gehöft Pfaff. Sie hatten viele Verwandte in Langenstein und Umgebung.
Ein Sohn – Heinrich geb. 1806 – heiratete 1835 nach Speckswinkel und lebte dort im Etzgeröder Hof, von wo er später mit Frau und dem ersten Sohn Johann Heinrich 1862 auswanderte. Sie hielten brieflich engen Kontakt mit der Heimat.

Schon mein Großvater hat sich sehr für diese Familiengeschichte interessiert und intensive Forschung betrieben. Er hat Speckswinkel besucht und dort mit seinen Verwandten Briefe ausgetauscht. Oma Friedchen, die Mutter von Waltraud Lauer und Hartmut Bohl in Langenstein, hat ebenfalls diesen Teil der Familiengeschichte erforscht und Informationen gesammelt und mir damals zur Verfügung gestellt. So ist eine umfangreiche Ahnenliste meiner Familie entstanden, die weit ins 17. Jahrhundert zurück reicht.

Der Hof meiner Vorfahren in Langenstein war als landwirtschaftlicher Betrieb damals im Besitz der Familien Roeder, später Klingelhöfer („ Rerehennersch Hof“). Die Gebäude wurden 1992 an die Familie Pfaff verkauft, da keine direkten Nachfolger mehr da waren.
Der Etzgeröder Hof in Speckswinkel, den Heinrich gepachtet hatte, wurde 1913 von seinem Schwager Otto Wilhelm gekauft. Johann Heinrich Röder schrieb 1926 Briefe an seinen Neffen Otto Wilhelm Junior. Der Hof ist noch in Familienbesitz, wird aber schon lange nicht mehr bewirtschaftet.

Frage: Wie bist du an diese präzisen Informationen gekommen?

Daniel: Wie gesagt, waren schon meinem Vater und meinem Großvater die Geschichte der Familie und ihrer deutschen Abstammung sehr wichtig. Und ich führe die Tradition meines Vaters und Großvaters fort und habe es mir zur Aufgabe gemacht, für die Großfamilie ihre Wurzeln herauszufinden. So gibt es in den USA und Deutschland viele Archive, in denen ich geforscht habe. In Deutschland war für die evangelischen hessischen Familien das Archiv „Archion“ in Kassel der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck mit seinem Internetangebot sehr nützlich. Kopien aus den Kirchenbüchern zeigten, dass mein Urururgroßvater in Langenstein geboren wurde und nach Speckswinkel heiratete. In Bremen, im Überseemuseum, konnte ich die Schifffahrtslisten aus dem 19. Jahrhundert ansehen. Mein Vorfahre Heinrich Roeder landete mit dem Schiff E.F. Gabain am 25.06.1862 in New York mit seiner Frau, Anna Katharina Goerge aus Speckswinkel und seinem ersten Sohn, dem 15jährigen Johann-Heinrich.

Heinrichs Bruder, Johann Roeder (geboren 1815), kam mit seiner Familie am 14.12.1868 in New York an. Sie hatten das Schiff „Main“ genommen. Viele weitere Mitglieder der Roeder-Familie, Cousinen und Cousins, verließen Hessen.

Frage: Was weißt du über die ersten Jahre deiner Familie in den USA?

Daniel: Sie arbeiteten meistens in der Landwirtschaft. Besonders interessant ist, dass im damaligen Bürgerkrieg, der in den USA tobte, als Ersatzmann für einen Amerikaner Johann Heinrich Röder, geboren 1846, getauft am 28.11.1846 in Speckswinkel, in den Sezessionskrieg zog. Er war erst 17 alt und täuschte vor, 18 zu sein, um an Geld zu kommen. In diesem Krieg ging es um die Frage der Sklavenhaltung und der Abspaltung der Süd- von den Nordstaaten in den USA. Wie schon bei den Römern erhielten die ehemaligen Soldaten als Veteranen eine finanzielle Versorgung. Und darin sah der Roederjunge seine Chance. Er kämpfe und kaufte mit diesem Geld die erste Farm der Familie.

Frage: Blieben deine Vorfahren Farmer?

Daniel: Die Roeders kauften in Eden, LaSalle, Illinois Land, errichteten ein großes Farmhaus, wo sie 1880, als die große Volkszählung der USA stattfand, leben. Später stiegen sie erfolgreich in den Landmaschinen- und Autohandel ein. Aber auch heute noch besitzt die Familie einen Hof in Illinois, den mein Urgroßvater gebaut und dann in 1942 gekauft hat. Diese Farm ist das Herz unserer Familie, wo wir uns treffen, feiern, gemeinsam bei Sonnenuntergang in die Weiten der Prärie schauen und uns als Teil einer großen Röderfamilie fühlen, die in den USA ihr Glück gefunden hat.
Schon früh wurden in meiner Familie Fotos gemacht, sodass man nicht nur schriftliche Berichte sondern auch die Personen vor Augen hatte.

Frage: Warum nimmst du diesen Reisestress und die großen Mühen auf dich, um in Deutschland Nachforschungen zu deiner Familie anzustellen?

Daniel: In meiner Familie ist es Tradition, sich mit den Vorfahren zu beschäftigen, denn – meiner Meinung nach – ist es wichtig zu wissen, wo man herkommt und zu zeigen, dass man Teil einer Gemeinschaft ist. Illinois war im 19. Jahrhundert ein Zentrum für viele Auswanderer aus Hessen, zum Beispiel kamen sie aus Hertingshausen, Wohratal, Groß- und Kleinseelheim. Sie unterstützten sich in der Neuen Welt gegenseitig und bildeten Netzwerke.

Frage: Du hast ja anscheinend schon alle bekannten Archive bereits benutzt und kennst dich mit den digitalen Angeboten im Netz bestens aus. Also – was glaubst du noch zu finden? Welche Informationen fehlen dir noch?

Daniel:
Mich interessiert nun, warum damals so viele auswanderten, aus wirtschaftlicher Not oder weil andere Berufe ergriffen wurden? Welche Geschichten verbergen sich hinter diesen Ereignissen? Sind es rein persönliche Motive oder allgemeine politische und gesellschaftliche Entwicklungen?
Für meine gesamte Familie suche ich nach ihren Wurzeln, forsche in Detmold und weiteren Archiven – ein sehr großes Vorhaben.

Dazu wünschen wir Langensteiner viel Erfolg!