Die
Main-Weser-Bahn

Die Entwicklung der Main-Weser-Bahn

1832 begann der von Kasseler Handels -und Gewerbetreibenden gegründete „Aktienverein“, der den Bau einer Bahnlinie von den Hansestädten bis nach Süddeutschland befördern sollte, seine rege Tätigkeit.

1844 Beschluss der kurhess. Staatsregierung: Bau der Bahnlinie Cassel – Marburg – Frankfurt.

1846 Beginn der Bauarbeiten für die Main-Weser-Bahn ab Kassel. Bis zu 5.000 Arbeiter waren gleichzeitig an den Bahnbaustellen bechäftigt. Bereits zwei Jahre später,

1849 wurde der Abschnitt Kassel – Wabern eröffnet. Am

4. März 1850 wurde Kirchhain erreicht. – Mit Schließung der Lücke Gießen – Langgöns am

15. Mai 1852 wurde der durchgehende Betrieb Kassel – Frankfurt aufgenommen, ab

1865 war der Betrieb durchgehend zweigleisig.

1967 die Main-Weser-Bahn ist von Frankfurt bis Kassel durchgängig elektrifiziert – Ende der Dampflok-Ära.

2023 besteht während der normalen Betriebszeit im 2-Stunden- Takt eine ICE-Verbindung Frankfurt – Kassel und im 1-Stunden-Takt eine RE-/RB-Verbindung Frankfurt – Kassel, dazu auch Teilstrecken, Fahrtdauer 2 – 2½ Stunden.

Reisen mit der Post - Reisen vor der Eisenbahn

Anstelle einer trockenen Abhandlung … Aus zeitgenössischen Reiseberichten und Reiseführern

„In Preußen gibt es nur sandigen, steinigen oder morastigen Boden. Bald wurde uns die Seele aus dem Leib gestoßen, dann schwammen wir wieder bis über die Achsen im Sande und versanken gleich darauf wieder in Moor oder in große Wasserlachen“ ( Helene Marie von Kügelgen, 1804)

„Den linken Arm trage ich in einer Binde, und ich wäre sehr glücklich, wenn ich
den Kopf auch in einer tragen könnte; so zerschlagen ist er mir.“ (Christian Fürchtegott Gellert, 1751).

„Jenseits des Erzgebirges sind die Wirthshäuser, Strassen, Postwägen, und alle Dinge, die auf den Thiermenschen wirken, in dem beßten Zustand. Diesseits des Erzgebirges sind die Wirthshäuser auf dem Lande nicht viel besser als die spanischen. Die Strassen sind wie die hungarischen, und anstatt der Postkutschen hat man hier eine Art grosser und plumper Bauernwagen, ohne Dach und Fach, worauf sich die Passagiers aufs Stroh hinlegen, wie die Schweine, und allem Ungemach der Witterung ausgesetzt sind.“ (Joh. C. Riesbeck, 1784)

(Der Weg zwischen Halle und Leipzig) sei „unbeschreiblich elend“, wobei ihm die erste Meile auf seiner Frühlingsreise „schier Angstschweiß ausgepreßt“ habe. „Ueberhaupt
stehet es mit dem Wegebau im preußischen über alle Beschreibung schlecht, oder vielmehr, es zeigen sich nirgendwo auch nur Spuren, daß derselbe statt fände.“ (anonym 1786)

„Es ist wirklich hart, wie man auf der ordinären Post, vorzüglich auch in den …. Landen, faren muß. Die Herren, die dieses wol abändern können, die faren mit eigenen Equipagen, und wissen also nicht, was es heißt, 3, 4 Nächte hinter einander, auf einem elenden Wagen zu sitzen, wo die SitzBänke nicht einmal eine SeitenLehne haben.“ (anonym, 1788)

Ärgerlich waren auch die oft neben den regulären Fahrentgelten aufzubringenden „Nebenkosten, wie z.B. „daß man den Wagenmeister und den Postillion mit einem
Trinkgeld zu gewinnen sucht“, dass er endlich losfährt, oder die vielen Wegegelder und Akzisen, zumal wenn sie, wie auf der „berühmten Meile zwischen Buzbach und Friedberg“, welche „durch fünf HerrenLand“ führte, unaufhörlich aufs neue zu entrichten waren… (J. G. Büsch, 1791).

Oder Forderungen ohne entsprechenden Gegenwert, etwa, wenn Chausseegeld zu bezahlen war, „wo doch noch keine Chaussee war“ oder Pflastergeld, obgleich der Wagen auf dem Pflaster ,,zu zerbrechen“ drohte, oder Brückengeld für eine Brücke, die über einen lächerlichen „Mühlenbach“ führte (versch. Autoren, 1788-1815).

Ab ca. 1815 trat eine merkliche Besserung in Komfort und Schnelligkeit ein, in Preußen Schnellpost, in den übrigen Ländern des deutschen Staatenbundes Eilwagen genannt. „Diese Eilwagen sind auf eine neue Art … gebaut und verbinden Leichtigkeit und Eleganz mit Bequemlichkeit für die Reisenden(Anonym, 1826). Zu seinem Durchbruch und Erfolg verhalf dem Eilwagen dann jedoch etwas ganz anderes, nämlich die unerhörte neue Geschwindigkeit: „Im Jahre 1827″, erinnert sich Otto Bähr, „führte einst bei einem Spaziergange mein Vater mich auf den Posthof [von Kassel.] und zeigte mir dort einen großen zwölfsitzigen Wagen. ,Sieh, das ist der neue Eilwagen‘, sagte er; ,der fährt in vierundzwanzig Stunden nach Frankfurt.‘ Ein Wunder!“

Trotzdem blieb, alles in Allem, der Daumen nach unten gerichtet: „Die deutsche Postschnecke stirbt unbeweint … Der schrille Pfiff der ersten Lokomotive blies ihr das Lebenslicht aus. Sie war schon seit längerer Zeit kränklich, und auf besonderes herzliches Beileid der hinterbliebenen Passagiere brauchte sie nicht zu rechnen.“ (so rückblickend E. A. Greeven, 1911)

Alles zit. nach Klaus Beyrer, Das Reisesystem der Postkutsche,in: Zug der Zeit-Zeit der Züge (1985), S. 38-59.

Fahrzeiten und -pläne, Preise und Verkehrsentwicklung

(Für den Zeitraum 1852 bis 1863 liegen leider keine präzisen Angaben vor).

Verkehrsentwicklung – Beförderungsleistung
Zwischen 1863 und 1867 nahm auf der Main-Weser-Bahn der Personenverkehr um 22 %, der Güterverkehr um 100 % zu.

Zwischen 1868 bis 1878 betrug die Zunahme im Personenverkehr 26% auf 285.693 und im im Güterverkehr 37% auf 418.896 t (jeweils pro Kilometer Betriebslänge).
Die Auslastung der Gesamtstrecke war trotz des hohen überregionalen Verkehrsanteils eher ungleichmäßig: Zwischen Marburg und Treysa lagen die Beförderungsmengen aufgrund der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte und Wirtschaftskraft nur halb so hoch wie unmittelbar nördlich von Frankfurt.

Wie wurde nun dieser Verkehr bewältigt?
1856: 4 Reisezugpaare, darunter ein Schnellzugpaar, die die Strecke auf ganzer Länge befuhren, ein weiteres Zugpaar verkehrte zwischen Gießen und Frankfurt. Die Personenzüge führten z. T. Güter mit, ob bereits planmäßig reine Güterzüge verkehrten, ist nicht bekannt.
Ab 1. Mai 1867 fuhren planmäßig 24 Züge, davon 4 Schnellzüge, 6 Personenzüge, ein Nachtzugpaar auf ganzer Länge und 14 gemischte Personenzüge mit Güterbeförderung. Dazu noch reine Güterzüge nach Sonderfahrplänen.
1870: Auf ganzer Länge 5 Schnellzüge, 5 Personenzüge, 1 gemischter Zug und zwei Güterzüge mit Personenbeförderung. Weiterhin ein Personenzugpaar Frankfurt-Marburg, ein Gemischtzugpaar Frankfurt-Marburg sowie zwei Züge Frankfurt-Marburg, je einer Gießen-Frankfurt, Marburg-Kassel und Kassel-Gießen – für damalige Verhältnisse ein stattliches Angebot. Nachhaltige Fahrplaneinschränkungen verursachte der Konjunktureinbruch 1874. Ein Aushangfahrplan von 1875 zeigt, dass nördlich von Marburg damals 6, südlich davon 7 Reisezugpaare verkehrten, darunter zwei Schnellzugpaare und diverse gemischte Züge.

 

Die Fahrzeiten

Die Fahrzeiten Frankfurt – Kassel sollen um 1853 zwischen 6½ und 9½ Stunden betragen haben, bis 1856 verringerten sie sich bei den Schnellzügen auf 5 bzw. 5¼ Stunden, bis 1870 auf ca. 4 Stunden. Bei den Personenzügen gab es kaum Zeitersparnisse. Grund: Der wachsende Personenverkehr wurde mit einer – zumindest gegenüber 1870 – geringeren Zahl von Zügen bewältigt, so dass das Gewicht der einzelnen Züge stieg. Gewachsen sein dürfte auch der Zeitbedarf für die Zugabfertigung auf den Stationen, deren Zahl zunahm.

 

Die Bahnstationen/Haltepunkte

Die damalige Eisenbahn diente vor allem als Regional- und Fernverkehrsmittel. Dem standen schon die Stationsabstände entgegen. Aus Kostengründen hatten an der Main-Weser-Bahn lediglich die direkt an ihr gelegenen Städte sowie wenige Orte mit ausgedehntem Einzugsgebiet (z. B. Wabern, Zimmersrode, Fronhausen), schon beim Bau Stationen bekommen.
Die allmähliche Entwicklung der Bahn zum Nahverkehrsmittel führte zur Einrichtung neuer Stationen, 1868 in Cölbe, 1879 in Grifte und Niederweimar. Mit der Einrichtung des Haltepunktes in Cölbe verbesserte sich spürbar der Bahnzugang für weite Teile des oberen Lahn- und des Wetschaftstales (Wetter) spürbar. Es hatte wohl schon entsprechende Vorstöße in kurhessischer Zeit gegeben, die jedoch bei der damaligen Regierung auf Widerstand stießen. Die Haltepunkte Niederweimar und Grifte wurden, nachdem die Gemeinden die Anlagekosten (Niederweimar 1320 Mark) aufgebracht hatten, am 20. Dezember 1879 eröffnet. In Niederweimar hatten sich auch die Gemeinden Oberweimar, Hermershausen und Cyriaxweimar an den Kosten beteiligt.

 

Die Fahrpreise

Bahnfahrten waren anfangs für die Landbevölkerung und die „einfachen Leute“ noch zu kostspielig. Mit steigenden Löhnen änderte sich dies: So betrug z. B. die jährlichen Minimalgehälter von einfachem Bahnpersonal 1850 135 Taler, 1872 waren es 310 bzw. 280 Taler, nach der 1873 eingeführten Markwährung 930 bzw. 840 Mark.
1856 belief sich der Fahrpreis für eine Fahrt von Kassel nach Marburg in der dritten Klasse auf 1 Taler, 5½ Silbergroschen. Das entsprach in der 1873 eingeführten Markwährung etwa 3,55 Mark, 1880 waren es 4,20 Mark. –
Seit 1873 gab es in vielen Zügen Wagen der 4. Klasse, spartanisch eingerichtet („Stehklasse“), aber der Fahrpreis betrug nur 50 % von dem der 3. Klasse, also 2,10 Mark!

Die Angaben stützen sich auf: Lutz Münzer, Vom Kondominat zur Preußischen Staatseisenbahn – aus der Geschichte der Main-Weser-Bahn zwischen 1866 und 1880, aus: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte (ZHG) Band 107 (2002), S. 291-314

Langenstein und die Kanonenbahn

Als „Kanonenbahn“ wird die in den 1870er Jahren erbaute militärstrategische Verbindung von der deutschen Hauptstadt Berlin über Güsten, Wetzlar, Koblenz und Trier nach Metz (Elsass-Lothringen) bezeichnet. Strategische Eisenbahnstrecken sind solche, die aus militärstrategischen Gründen ohne Rücksicht auf eine zivile/wirtschaftliche Bedeutung meist zweigleisig unter Umgehung von Ballungsräume gebaut wurden, wobei bereits bestehende staatliche Bahnstrecken mitgenutzt wurden. „Kanonenbahn“ ist keine offizielle Bezeichnung, sie hat sich im Volksmund eingebürgert. Im Berliner Raum ist die „Wetzlarer Bahn“ für die Strecke von Berlin in Richtung Belzig seit ihrer Bauzeit bis heute bekannt. Zur Eröffnung der Teilstrecke Wetzlar–Lollar (1878) in einer amtlichen Bekanntmachung von Berlin-Wetzlarer Bahn, bzw. Berlin-Metzer Bahn die Rede.

Außer der Moselbahn waren „hierfür die zur Herstellung einer unmittelbaren Bahnverbindung von Berlin über Nordhausen nach Wetzlar nöthigen Abkürzungslinien zu erbauen,“ wofür durch Gesetz vom 11. Juni 1873 (dem sogenannten „Kanonenbahngesetz“) 152.250.000 M genehmigt worden.

Die gebaute Kanonenbahn kann man von den Eröffnungsdaten her in 24 Abschnitte einteilen. Der uns interessierende Abschnitt ist Kirchhain – (Marburg) – Lollar / 37 km (oder 30 km?).

Eine der vorgesehenen „nöthigen Abkürzungslinien“ war der Abschnitt Kirchhain bis Lollar. Bis Kirchhain waren die Gleise der Main-Weser-Bahn zu benutzen, zwischen Kirchhain und Fronhausen sollte der weite Bogen über Marburg abgekürzt werden, indem man eine Linie durch das Amöneburger Becken und den Ebsdorfer Grund führte.

Die Stadt Marburg sah durch das Vorhaben ihre Entwicklungschancen bedroht. Sie fürchtete, dass zumindest der Fernverkehr künftig an der Stadt vorbei laufen würde und petitionierte gegen den Bau des Abschnittes Kirchhain-Fronhausen (wurde im Petitionsausschuss des Landtages als unbegründet abgewiesen). Am 9. Juni 1874 teilte die Regierung in Kassel den betroffenen Landräten mit, dass ab 23. Juni die landespolizeiliche Prüfung der Trassen stattfände. Für die Teilstrecke Kirchhain-Fronhausen waren die Tage nach dem 29. Juni vorgesehen. – (Dies alles hätte sich direkt vor der „Haustür“ der Langensteiner abgespielt!)

Die Realisierung des Bauvorhabens fand dann in stark vereinfachter Form statt, gar nicht gebaut wurde der Abschnitt Kirchhain-Fronhausen. Wann die Entscheidung dagegen fiel, ist nicht bekannt. Gründe waren Terrainschwierigkeiten, die die Vorteile der Abkürzung, weitestgehend aufgehoben hätten. Vor allem die Wasserscheide zwischen Ohm und Zwester Ohm, also eine verlorene Steigung mit beträchtlicher Neigung, wäre zu überwinden gewesen .

Der Verzicht auf den Bau dieses Abschnittes trug entscheidend dazu bei, dass 1879 die
voraussichtlichen Minderausgaben gegenüber den 1873 bewilligten Baumitteln für die Berlin-Wetzlarer Bahn mit 8,4 Mio. Mark, entsprechend 2,8 Mio. Talern angegeben wurden.

Quellenangabe: Wikipedia („Main-Weser-Bahn“, „Kanonenbahn“, Lutz Münzer, Vom Kondominat zur Preußischen Staatseisenbahn – aus der Geschichte der Main-Weser-Bahn zwischen 1866 und 1880, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte (ZHG) Band 107 (2002), S. 291-314, hier: S. 297ff.