Wüstungen um Langenstein

Die folgenden Informationen zu den einzelnen Wüstungen stützen sich auf das Landesgeschichtliche Informationssystem (LAGIS) des Hessisches Instituts für Landesgeschichte ( https://www.lagis-hessen.de/), dem an dieser Stelle mein herzlicher Dank gilt. Die Wüstungen sind chronologisch nach Ersterwähnung aufgeführt. Die exakte Lage der Wüstungen kann durch die in angegebenen GPS-Koordinaten bestimmt werden: Einfach Google maps (bei einem Handy mit Android) oder apple maps/karten (bei einem iPhone) starten und bei „Ziel“ nur die beiden Koordinatenziffern, durch Lücke getrennt, in den Routenplaner eingeben. Nicht vergessen, das Symbol „Fußgänger“ anzuklicken, das Handy weist dann zuverlässig den Weg. Eine interaktive Karte, in der auch die Wüstungen markiert sind, findet sich hier

Hof Netz

In der Gemarkung Langenstein, 3,5 km östlich Kirchhain, heute Gutshof im Netzbachtal am Rande der Ohmniederung nahe der B 454

Koordinaten: WGS84: 50.82714911° N, 8.970289888° O

Ersterwähnung („Nezzaha“): 750/779 überträgt (Graf?) Argoz dem Kloster Fulda den dritten Teil seines Besitzes in Netz. 1118/1137 erwirbt das Erzstift Mainz von einem dominus Hugo ein Gut zu Netz. Um 1248 hat das Erzstift Abgaben aus Netz, die nach Amöneburg geleistet werden.
Vor 1520 wird auf der offenbar verlassenen Siedlung eine Wasserburg errichtet; Reste des Wallgrabens noch erkennbar. 1577 steht der Hof der Netz-Mühle dem Rentmeister zu Marburg zu. 1605 erlangt der hessische Rat Johann Magnus aus Kirchhain Dienstbefreiung für die von ihm erworbene Netz-Mühle. Später ist der adlige Hof nebst Mühle im Besitz der Familien von Gall, die ihn 1816 an die Freiherrn von Fürstenberg verkaufen. 1858 ist das verpachtete Gut Eigentum des Freiherrn von Dörnberg. 1858 hat die Netzmühle 1 oberschlächtigen Mahlgang.
Vor 1520 wird auf der offenbar verlassenen Siedlung eine Wasserburg errichtet; Reste des Wallgrabens noch erkennbar. 1577 befindet sich auf dem Hof eine Mühle, 1782 eine Burg mit Wallgraben. Herrenhaus 1910 abgerissen.

Obernhain

In der Gemarkung Kirchhain, ca. 1,5 km südöstlich Kirchhain, am alten Flussbett der Klein neben der B 62.

Koordinaten: WGS84: 50.81642232° N, 8.939703799° O
Ersterwähnung („ Hagen“1150/1160; „Overenhagen“ 1281), Wüstung zwischen 1375 und 1491.
1150/60 bezieht Kloster Hersfeld Abgaben aus der halben Neurodung Werploh (= Kirchhain), die von Hufen zu Obernhain geleistet werden. 1260 kauft der Deutsche Orden Marburg von Ritter Volpert Hobeherr dessen Güterbesitz in Oberhain. 1325 erwirbt der Deutsche Orden Güterbesitz von 15 Morgen Ackerland und Wiesen. 1324 verfügt das Erzstift Mainz über Einkünfte in Obernhain, die es 1491 aufgibt. Der Zehnte ist 1388 nassau-dillenburgisches Lehen der von Hohenfels.
Kirchliche Mittelbehörde ist im 15. Jahrhundert der Sendbezirk Amöneburg

Herbach

In der Gemarkung Emsdorf, 4 km nordöstlich von Kirchhain, am Süd-Fuß des Alkersberges am Süd-Rand der Gemarkung Emsdorfgelegen. Südwestlich im Netzbachtal liegt die Wüstung Heimersdorf.
Koordinaten: WGS84: 50.85001093° N, 8.98190523° O

Ersterwähnung („Herpach“) um 1248, Wüstung vor 1326.
Bis 1294 gehörte Herbach zum Verwaltungsbezirk → Amt Amöneburg, ab 1294 zum Amt Neustadt.
Um 1248 und 1326 wurde der Zehnte in Herbach an das Erzbistum Mainz abgeführt.

Münchhausen

In der Gemarkung Stadtallendorf, ca. 5 km östlich Kirchhain, südwestlich der Münch-Mühle gelegen.
Koordinaten: WGS84: 50.82250458° N, 8.986173002° O
Ersterwähnung („Munchhusen“) um 1248, Wüstung vor 1486.
Bis 1274 ziegenhainisches Dorf; 1274 verkaufen die Grafen von Ziegenhain Dorf und Eigenleute mit Gerichtsbarkeit und allem Recht an den Deutschen Orden Marburg. 1310 bewilligt das Erzstift Mainz dem Geistlichen Friedrich Raustein den Verkauf seines Viertels der Vogtei in M. unter der Auflage, es nur an Amöneburger Bürger zu verkaufen.
Um 1248 hat das Erzstift Mainz Einkünfte und den Zehnten in M. 1250/60 und 1282/83 ist der Zehnte von den Herren von Eppstein an den Amöneburger Schultheißen Rudenger (1282/83: olim scultetus) verpfändet; möglicherweise ist diese Verpfändung auf ca. 1222 anzusetzen, wo ein Schultheiß R. von Amöneburg begegnet. 1275 schenkt die Witwe Graf Gottfrieds von Ziegenhain, Hedwig, ihr Recht an zwei Hörigen dem Deutsche Orden. 1295 erwirbt der Deutsche Orden die Einkünfte Friedrich Rausteins in M. Weiterer Gütererwerb des Deutsche Orden 1323. 1358 verfügt der Deutsche Orden über 2 Höfe mit 87 ½ Morgen Ackerland und 4 Morgen Wiesen.
1304 verkaufen die Riedesel ihre Güter in M. an das Kloster Georgenberg; 1486 verkauft ein Gerlach von Dautphe an Hans von Dörnberg ein Gut in der Wüstung M., das er von dem Kloster Georgenberg eingetauscht hatte. 1493 erwirbt Hans von Dörnberg vom Kloster Georgenberg eine Wiese. – 1586 befindet sich auf der Wüstung das Gehöft eines gewissen Gernand; im 30jähr.Kriege zerstört. 1672 kauft die Gemeinde (Stadt)Allendorf die Wüstung und errichtet dort eine Mühle.
Zur Münch-Mühle und weiterführend zu ihrer Rolle innerhalb des NS-Zwangsarbeitersystems und des Holocaust: https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/332

Heimersdorf

In der Gemarkung Langenstein, ca. 2,5 km nordöstlich von Kirchhain, etwa 200 m nördlich der Straße Langenstein-Erksdorf am Nordwest-Hang des Netzbachtales gelegen. Im oberen Talverlauf ist nordöstlich die Wüstung Herbach, südlich am unteren Bachlauf Hof Netz und südöstlich die Wüstung  Leiterstede gelegen.

Koordinaten: WGS84: 50.84066031° N, 8.972112862° O
Ersterwähnung („Hemmersdorf“) um 1248, Wüstung vor 1456.
In der Flur Keramikfunde beginnend um 700 bis 14. Jahrhundert und Funde von Hüttenlehm.
Ab ca. 1248 bezieht das Erzstift Mainz Zinsen in Heimersdorf, die nach Amöneburg gehören. 1272 verkauft Ritter Friedrich von Langenstein dem Deutschen Orden Marburg seinen Güterbesitz in Heimersdorf, der 1358 und später von Langenstein aus bewirtschaftet wird. Seit 1339 erhalten die von Riedesel als Rauschenberger Burgmannen ziegenhainer, später landgräfliches Gefälle zu Heimersdorf.

Bechtmannshausen

In der Gemarkung Kirchhain, etwa 3 km nordöstlich Kirchhain, nordöstlich der Straße Kirchhain- Emsdorf im oberen Teil eines sich nach Norden öffnenden Tälchens nahe einer im Wiesengelände entspringenden Quelle.

Koordinaten: WGS84: 50.84658312° N, 8.943853877° O
Ersterwähnung („Berchmanshusen“) 1272, Letzterwähnung: Wüstung Ende 14. Jahrhundert / Anfang 15. Jahrhundert.
Größe der ehemaligen Gemarkung auf ca. 200 ha zu schätzen.
1491 war die Landeshoheit zwischen Erzstift Mainz und Landgraf strittig. 1272 und 1342/1351 erwirbt der Deutsche Orden Marburg von den von Langenstein Güterbesitz. 1329 haben die von Langenstein Güterbesitz in Bechtmannshausen den Grafen von Nassau-Dillenburg zu Lehen aufgetragen. 1357: Gericht Langenstein. 1358 gehört Bechtmannshausen mit Abgaben (Vogteiabgaben?) zur Burg Rauschenberg. 1358 verfügt der Deutsche Orden über 2 verpachtete und 1 unbesetzten Hof mit zusammen 92 Morgen Ackerland und 8 Morgen Wiesen.1374 wird ein landgräfliches Gut in Bechtmannshausen erwähnt. 1523 wird die Flur von Kirchhainer Bürgern angerodet. 1786 umfasst der landgräfliche Rottzehnte auf Bechtmannshausen ca. 360 → Kasseler Acker.

Leiterstede

4,5 km nordöstlich Kirchhain, in einem Seitentälchen des Netzgrundes unterhalb des Waldes Hohe Eich (so schon 1358) am Ostrand der Gemarkung Langenstein zur Gemarkung Stadtallendorf hin gelegen.

Koordinaten: WGS84: 50.83418964° N, 8.979781935° O
Ersterwähnung („Leiterstede, de“) 1282, Wüstung vor 1478, damals in der Allendorfer Gemarkung gelegen.
In der Flur karolingerzeitliche Keramikscherben.
1324: mainzisch Hof in Leiterstede. 1333 ist der Zehnte mainzisch. 1363 versetzt das Erzstift Burghard von Holzhausen seine Höfe und Güter in Leiterstede. 1360 nimmt Konrad von Leiterstede vom Deutsche Orden Marburg dessen Hof zu Leiterstede auf 12 Jahre in Pacht. 1478 verkauft Hans von Dörnberg den Zehnten in der Wüstung Leiterstede samt aller Nutzung, Gerechtigkeit und sonstigem Zubehör an die von Radenhausen.
Eine Familie von Leiterstede 1260-1283 genannt (Ortsadel?).

Elmsdorf

In der Gemarkung Emsdorf, ca. 7 km nordöstlich Kirchhain, beiderseits der Straße Emsdorf-Stadtallendorf auf der sogenannten Heide gelegen.

Koordinaten: WGS84: 50.85846205° N, 8.998234769° O

Ersterwähnung („Elmersdorf“) 1310, Wüstung nach 1561.
1340 scheint die Siedlung nur aus zwei, seit 1380 nur aus einem Hof bestanden zu haben. Feldflur seit 1561 von Erksdorf und Hatzbach bebaut. In Erksdorf bildeten die Beständer eine eigene Gemeinde. Im 14. Jahrhundert gehörte Elmsdorf zum Amt Ziegenhain. 1324 hat das Erzstift Mainz einen Hof in Elmsdorf; 1340 werden nur 2 Einzelhöfe genannt; 1347 haben die von Seelheim einen Hof. 1561 ist der verbliebene Hof in Elmsdorf landgräfliches Lehen der von Dörnberg.
Noch im 19. Jahrhundert wallfahrten die Bewohner der umliegenden Gemeinden alljährlich zum alten Friedhof.

Giffendorf

In der Gemarkung Amöneburg, am Fuße des Brücker Waldes beiderseits der B 62 auf dem linken Ufer der Klein nahe Hof (Schloss) Plausdorf.

Koordinaten: WGS84: 50.81072253° N, 8.959219402° O

Ersterwähnung („Gippegindorf“) 1358, Letzterwähnung vor 1425.
Um 1400 sollen noch 2 Brüder in Giffendorf gesessen haben. Wüstung vor 1425.
Nachfolgesiedlung möglicherweise Plausdorf.
Seit 1364/65: Gerichtsherrschaft zwischen Erzstift Mainz und Landgraf strittig; von Mainz als Zubehör des Gericht Niederklein beansprucht; diese Gerichtszugehörigkeit auch vom Deutschen Orden Marburg bestätigt. – 1385 und 1465 wird der Landgraf erneut zur Herausgabe des Dorfes aufgefordert. – 1462 vergleichen sich die Parteien, die Wüstung zwischen den Ämtern Kirchhain und Amöneburg aufzuteilen. Im Landschied von 1756 endgültig mainzisch. 1358/68 hat der Deutsche Orden Marburg einen Hof in Giffendorf verpachtet

Plausdorf

3,5 km südöstlich Kirchhain, am Rande des Brückerwaldes zwischen der Klein und einem Mühlgraben gelegener Gutshof.

Koordinaten: WGS84: 50.812792° N, 8.966454° O

Ersterwähnung („Plußtorff“) 1463.
Siedlungsentwicklung: Mühle und Hof 1571. vielleicht Nachfolgesiedlung der Wüstung Giffendorf. Mit der Auflösung der Gutsbezirke in Preußen 1928 nach Amöneburg eingemeindet.
Heute: „Umfangreiche, malerisch gelegene Anlage, Hauptgebäude dreigeschossiger Massivbau, 1565, Portal bezeichnet 1583. Historistische Erweiterung der Gesamtanlage durch Wirtschaftsgebäude mit Fachwerkobergeschoss 1901-1914“ (Dehio)

Weiterführende Informationen und Literatur

Zur baugeschichtlichen Situation im frühen und hohen Mittelalter:
  • G. Binding, U. Mainzer, A. Wiedenau, Kleine Kunstgeschichte des deutschen Fachwerkbaus (1975), S. 40ff.
  • G. U. Großmann, Der Fachwerkbau in Deutschland (1998), S. 99f.
Zu Mittelalter allgemein:
  • Horst Fuhrmann, Einladung ins Mittelalter (München 1987)
  • Ferdinand Seibt, Glanz und Elend des Mittelalters. Eine endliche Geschichte (Berlin 1987)
Zu Spätmittelalter/Frühe Neuzeit:
  • Barbara Tuchman, Der ferne Spiegel (1978; dt. Düsseldorf 1980)
  • Hartmut Boockmann, Stauferzeit und spätes Mittelalter. Deutschland 1125-1517 (Das Reich und die Deutschen, Band 7, 1987)
  • Heinz Schilling, Aufbruch und Krise, Deutschland 1517-1648 (1988) S. 54-83
    (beide bieten einen knappen, aber guten, zeitl. einander anschließenden Überblick über die Entwicklung in der Epochenwende Mittelalter/Neuzeit in Deutschland und angrenzenden Regionen).
  • Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit (München 1927/1931; zuletzt: 2007/2008)
    (historisch-kultursoziologisch hochinteressant und informativ! Aber Vorsicht: Friedell ist kein Stubengelehrter! Das Buch strotzt nur so von rein subjektiven Einschätzungen!
    Trotzdem sehr amüsant zu lesen!)
Zur hessischen Geschichte:
  • Walter Heinemeyer (Herausgeber), Das Werden Hessens (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 50, Marburg 1986)
    Daraus für dieses Thema:
    • Karl Heinemeyer, Hessen im fränkischen Reich
    • Walter Heinemeyer, Das Hochmittelalter
    • Peter Moraw, Das späte Mittelalter
Alle hier genannten Werke sind sehr informativ, in weiten Teilen immer noch Standard und leidlich gut zu lesen, repräsentieren aber nicht mehr in allen Punkten den aktuellen Stand der Forschung.